Dienstag, 8. Mai 2012

Schwabenkinder im Kleinwalsertal?

Die beiden EU geförderten Projekte „Die Schwabenkinder“ und „Der Weg der Schwabenkinder“ befassen sich mit dem sozialgeschichtlichen Phänomen der Arbeitsmigration jugendlicher Saisonarbeiter, den so genannten „Schwabenkindern“. Bereits seit dem 17. Jahrhundert bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts zogen Kinder aus den Alpengebieten nach Oberschwaben, um sich auf „Hütekindermärkten“ als saisonale Arbeitskräfte zu verdingen.

27 Museen und Kultureinrichtungen in den fünf Ländern Deutschland, Österreich, Schweiz, Liechtenstein und Südtirol präsentieren mit Informationsstationen und Dauerausstellungen verschiedene Aspekte der Schwabenkindergeschichte. Die einzelnen Museumstationen werden durch ein Themenwanderweg miteinander verbunden. Die Schwabenkinderwege können in mehreren Etappen durch die Alpen erwandert werden. Dazu ist im Bergverlag Rother bereits ein Wanderführer „Schwabenkinder-Wege Oberschwaben – Bregenz – Friedrichshafen – Ravensburg – Wolfegg“ von Elmar Bereuter erschienen. Anfang Juni dieses Jahres soll der Führer „Schwabenkinder – Wege Vorarlberg“ und in Folge die Führer Schweiz und Tirol erscheinen. Die Wege enden alle beim Bauernhaus-Museum in Wolfegg, wo die Idee zum Schwabenkinderprojekt entstand und im März 2012 eine Dauerausstellung zum Thema eröffnet wurde.

Über die Homepage www.schwabenkinder.eu hat man die Möglichkeit aus einer Datenbank über 8.000 Biographien und Informationen zu den Kindern und deren Dienstherren herunterzuladen.

Das Kleinwalsertal war kein Partner bei diesem Projekt und liegt auch nur am Rande der Hauptrouten der „Schwabengängerei“. Vermutlich gab es bisher keine ernsthaften Forschungen zu den „Schwabenkindern“ in unserem Tal und daher sind Informationen sehr spärlich.

Im Gemeindeblatt „Der Walser“ vom 19. März 1949 finden wir einen Bericht mit der Überschrift „Josefi im Lichte der Schwabenkinder“:
Es sind noch keine sechzig Jahre her, daß über zehn Jahre alte Kinder aus kinderreichen oder ärmeren Walserfamilien mit gemischten Gefühlen dem Josefitag (19. März) entgegensahen. Zu diesem Zeitpunkt wurde nämlich alljährlich ein Trupp von ca. 20 Buben und ein Halbdutzend Mädchen „ins Schwabenland geschickt“. Ein erfahrener Mann nahm bereits nach Lichtmeß (2. Februar) schon „Bestellungen“ auf, sammelte die Gemeldeten mit ihrem Häßränzchen zwei Tage vor Josefi und betreute sie auf der Reise bis nach Obergünzburg. Ein sechstündiger Marsch nach Sonthofen ward aufgewogen durch das Erlebnis der (meist ersten) Bahnfahrt von Sonthofen bis Günzach. Dann hieß es nochmals auf Schusters Rappen bis Markt Obergünzburg tippeln. (Johann Jodok Fritz von Mittelberg vulgo Wirts Hans soll einer der letzten Reiseführer gewesen sein!). Traditionsgemäß fanden sich am Josefifest nach dem Gottesdienst die Bauern aus der Umgebung auf dem dortigen Marktplatz ein, suchten sich da die feilgebotenen Knechtlein und Mägdlein aus und nahmen sie mit nach Willofs, Eglofs, Mindelberg, Immental, Günzach und Aitrang. Bei nahrhafter, aber eintöniger Kost und meist roher Behandlung wurden diese billigen Arbeitskräfte im Stall und auf dem Acker weidlich ausgenützt. Die elterliche Begründung, daß da die Kinder „folgen“ müssen und positive Arbeit lernen, hat ihren Zweck bestimmt erreicht; andererseits aber litt die moralische Erziehung schwer mit dem Umgang unter grobredigem Gesinde. Nicht umsonst sagt ein altes Sprichwort. „Du fluchst ja, als ob du im Schwobeland gsee wärest“. Den Haupterfolg sah man in der Tatsache, daß die Kinder ein halbes Jahr „ab der Köstung waren“, Häß und Schuh und 15 bis 40 Mark Lohn heimbrachten. Gemeinsam und mit sichtlichem Stolz, voll ausgehalten zu haben kehrten die Schwabenkinder am Simon Judä-Tag (30. September) wieder ins Walsertal zurück. Die daheimgebliebenen Schulkameraden beneideten sie nicht um die sauren Wochen, wohl aber um die schönen Stiefele, die sie mitbrachten, und um den Vorteil, schon ab Josefi der bösen Schule entronnen zu sein.

Aus der oben genannten Datenbank kann man bisher die Biographie einer Person aus dem Kleinwalsertal ausfindig machen. Joseph Romuald Wüstner („Tödles Josefle“) wurde am 7. Februar 1833 in Hirschegg geboren. Im Alter von 15 Jahren trat er seinen Dienst als Hirte bei einem Xaver Maier in Esseratsweiler in der Gemeinde Achberg an der baden-württembergisch-bayerischen Grenze, im Südosten des Landkreises Ravensburg, an. Aus den Dienstbotenverzeichnis des Gemeindearchivs Achberg geht hervor, dass seine Dienstzeit vom 20. März bis 30. Dezember 1848 währte.

Nach der Familienchronik von Alfons Köberle soll er am 16. Mai 1875 in Sonderdorf im Allgäu beim Fischen eines plötzlichen Todes gestorben sein. Josef Wüstner hatte noch 6 weitere Geschwister die wie er selber alle ledig blieben. Nur seine Schwester Rosalia (1829-1895) bekam ein „lediges“ Kind Theresia (1859-1939), die den „Fränzler“ Josef Engelbert Schuster (1849-1929) heiratete und 12 Kinder hinterließ. Der Bruder Christian (1826-1882) ist nach Ungarn ausgewandert. Bei der jüngsten Schwester Walburga (1835-1872) findet man in der Familienchronik den Eintrag „war immer eine arme Person“.

Zum Schluss sei hier noch ein Hinweis zu einer Dokumentation aus dem Landesstudio Vorarlberg „Wege der Schwabenkinder“, welche am 1. Mai um 17:35 Uhr im ORF 2 ausgestrahlt wurde.
Inch (Gast) - 9. Mai, 11:06

Bäh. keine Lust nochmal alles zu schreiben. Weil es Probleme mit dem Code gab, ist der ganze Text weg.
Nur noch mal kurz: Danke für ausführliche Beschreibung. Wanderhinweis und Link.
Lieben Gruß in die Berge, Inch
(3. Versuch)

steepe

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