Mittwoch, 3. April 2013

Vor 25 Jahren ...

... für alle, die den Frühling kaum mehr erwarten können und glauben es gab schon gefühlte "1000" Jahre keinen so langen Winter mehr, sollten den Winter vor 25 Jahren genauer betrachten. Im "übrigen" hatte das Kleinwalsertal im Vorjahr um diese Jahreszeit auch noch bedeutend mehr Schnee. Nun aber zur Situation vor 25 Jahren.

Vom 6. bis 8. März 1988 hatte es in Kleinwalsertal bereits sehr viel geschneit und es wurden die Ortsteile Baad, Höfle, Stütze und das Moos gesperrt. Danach wurde es wieder schöner Wetter und die Sperren aufgehoben. Am 11. März 1988 begann es wieder zu schneien und es wurde am Abend Baad gesperrt.

Im Gemeindeblatt „Der Walser“ finden wir am 18. März 1988 folgenden Eintrag von Irmin Schwendiger:
„Drei Tage Katastrophenalarm im Kleinwalsertal – Drei schlimme Tage mit verhältnismäßig großen Schneefällen und akuter Lawinengefahr haben das Kleinwalsertal zu einem Katastrophengebiet werden lassen. Ununterbrochener Schneefall servierte den Walsern 2,50 m Neuschnee. Dennoch brachen die Häuser unter der Schneelast nicht zusammen. Nur ein altes Haus in der Schwende konnte dem Druck nicht widerstehen.

Am Samstagnachmittag (12.3.1988, Anm.) wurde die Walserschanze ab 14 Uhr für den Straßenverkehr gesperrt. Eine Lawinensperre gab es in Unterwestegg und beim Cafe Anna bis zur Alpenrose. Die Straße nach Baad galt als unpassierbar, die Fahrstraßen zur Stütze und ins Wildental wurden ebenfalls vom Verkehr ausgeschlossen. Bergbahnen schlossen ihre Pforten, Tallifte legten ihren Betrieb wegen akuter Lawinengefahr still.

Erst am Dienstagfrüh (15.3.1988, Anm.) konnte die Lawinensperre an der Walserschanze aufgehoben und der dort angebrachte hohe Schneewall fortgeräumt werden. Die Hauptstraße mit ihren drei Lawinensperren wurde dem Straßenverkehr zurückgegeben.

Drei Hubschrauber, die Libelle aus Hohenems und zwei Bundesheer-Hubschrauber aus Linz-Hörsching, letztere angefordert von Vizebürgermeister Wolfgang Hilbrand, waren noch für Erkundungsflüge eingesetzt. Sie sollten feststellen, ob irgendwo noch weitere Lawinen abgegangen sind. Das Österreichische Verteidigungsministerium hat zwei Militärhubschrauber auf unbestimmte Zeit dem Kleinwalsertal zur Verfügung gestellt. „Das hat mich sehr beruhigt, und das hat geholfen, die Situation zu stabilisieren“, versicherte Vizebürgermeister Wolfgang Hilbrand. Sie haben Versorgungsflüge nach Baad durchgeführt und Lebensmittelpakete abgeworfen. Sie flogen dringendst notwendige Krankentransporte und standen der Gemeinde Mittelberg ständig zur Verfügung. […]

1988_03-IS-02
Bild: Irmin Schwendiger: Schüler und Schülerinnen der Hauptschule konnten sich vom Militärhubschrauber nicht trennen.

Im Bereich der Bärenweidlawine wurde vom Hubschrauber aus gesprengt, um die Gefahr für Baad zu mildern. Die Lawine blieb aber fast hängen. Die Baader Straße konnte am Dienstagnachmittag dem Verkehr geöffnet werden. Auch ins Wildental kann man zur Zeit wieder fahren. […]

Drei Tage und Nächte war der Kleinwalsertaler Katastrophenschutz pausenlos im Dienst. Die Zusammenarbeit mit der Gemeinde Mittelberg – Katastrophenchef war Vizebürgermeister Wolfgang Hilbrand, sein Stellvertreter Toni Berchtold – dem Verkehrsamt, der Lawinenkommission, der Feuerwehr und dem Räumungsdienst sei hervorragend gewesen, versicherte Friedl Dietrich, Chef der Gendarmerie, die Tag und Nacht in Alarmbereitschaft war […].

Auch das Verkehrsamt sei, so berichtete Verkehrsdirektor Werner Fink, während dieser Tage voll und ganz damit beschäftigt gewesen, Tausende von Telefonanrufen zu beantworten. Es mußten Quartiere für mehr als dreihundert Tagesausflügler beschafft werden, die am Samstag, 12. März, vormittags ins Tal gekommen waren und das Tal bis zum Dienstagvormittag nicht mehr verlassen konnten. Auch viele Talgäste, die in manchen Härtefällen nur 1 km von ihren Quartieren entfernt waren, durften die gesperrten Gebiete nicht mehr passieren. So manche Hotelbedienstete, die gerade zum Einkaufen unterwegs waren, kamen nicht mehr zurück. Auch die Evakuierten in Mittelberg, vom Oberahorn mit drei Häusern und 20 Personen, vom Moos mit vier Häusern und 30 Personen, brauchten Übernachtungsmöglichkeiten, um ruhig schlafen zu können. […]

Lawinenabgänge gab es während der drei Tage an mehreren Stellen. Am Samstag ging die Maisäß-Moos-Lawine ab, vom Heuberg herunter. Sie zerstörte eine kleine Alphütte am Heuberg. Am gleichen Tag kam die Alpenrose-Lawine und verschüttete die Bundesstraße zwischen der Alpenrose und dem Hotel Leitner. Im Schmiedetobel brach ein großer Schneerutsch ein und füllte das Tobel auf. Am Söllerweg kamen gegen 14 Uhr Schneemassen bis in den Schloßweg hinein, 3 m hoch. Vom Erlenboden brach ein kleiner Schneerutsch fast bis nach Bödmen hinunter. Am 13. März brach die Ifenlawine bei der Ifenhütte ab und krachte hinunter auf die Talstation der Ifen-Bergbahn. […] Im Wildental sei eine Lawine abgegangen. Wann ist nicht gewiß. Sie hat den Stall der unteren Wiesalpe stark beschädigt. Menschenopfer waren Gottseidank nicht zu beklagen.

Eine Abgängigkeitsmeldung, die nach 19 Uhr am Sonntag bei der Gendarmerie eintraf machte große Sorgen. Vier Schitouristen […] so hieß es, seien zur Schwarzwasserhütte aufgestiegen. Die Telefonleitung zur Hütte war durch Lawinenabgänge zerstört. Drei Lawinen waren in Richtung Rüchewald und Galtöde abgegangen. Sie zerstörten Wald und Futterkrippen. Man vermutete, daß die vier Schitouristen von den Schneemassen begraben worden seien. Von Landsberg her flog der SAR-Hubschrauber über das bedrohte Gebiet und suchte nach Spuren der Schitouristen. Alle vier aber trafen am 14. März in der Früh wohlbehalten im Tal ein. Sie hatten unbekümmert und wohlgeborgen auf der Schwarzwasserhütte übernachtet […].

Aus meinen privaten Aufzeichnungen:
12. März 1988: „Es hat sehr viel geschneit. Vom Küchenfenster unseres Hauses (in Bödmen, Anm.) kann man nur noch den Dachgiebel des gegenüberliegenden Hauses sehen. Es ist das Kleinwalsertal gesperrt worden, wie auch hinter dem Tobel. Es sind zwischen Alpenrose und Luggi Leitners Haus und im „Schmitta Dobel“ bei der Pension Wagner in Riezlern Lawinen heruntergekommen. In den Bergen sind viele Lawinen heruntergekommen. So viel Schnee und so lawinengefährlich war es schon lange nicht mehr. Vermutlich das letzte Mal 1982 und 1954.“

13. März 1988: „Am Vormittag hat es geschneit. Am Nachmittag hat es langsam aufgehört zu schneien. Dem Bernd Rief im Erlenboden ist eine Lawine in den neuen Stall gegangen. Das Tal ist immer noch gesperrt. Im Ifengebiet ist eine Lawine heruntergekommen und hat den Sessellift schwer beschädigt. Es wäre fast die Auenhütte verschüttet worden, wenn man vor dieser nicht ein Schneewall errichtet hätte.
In Oberstdorf fand die Skiflug-Weltmeisterschaft in Oberstdorf statt. Gewonnen hat Ole Gunnar Fidjestøl aus Norwegen. Werner Schuster aus Hirschegg ist 7. geworden.“

14. März 1988: „Zuerst war es bewölkt, dann hat es zum Schneien angefangen. Es hat den ganzen Tag leicht geschneit. Hinter dem Haus (in Bödmen, Anm.) hat mein Vater 2,60 m Schnee gemessen.“

15. März 1988: „Es hat den ganzen Tag die Sonne geschienen. Das Tal wurde während des Vormittags aufgemacht. Beim Zahnarzt in Oberstdorf gewesen!“
Ich kann mich erinnern, dass ich vom Zahnarzt ein Instrument zur Wurzelkanalbehandlung mitbekam, da wir wussten, dass das Tal gesperrt wird und ich dann die „Behandlung“ selber durchführte. Zum Zahnarzt hat es dann aber doch nicht gereicht – dafür habe ich einen tollen Beruf als Archivar und Chronist!

Im April 1988 wurde die ORF-Sendung „Argumente“ unter dem Titel „Tod in den Alpen“ im Theodulsaal in Hirschegg gedreht. Irmin Schwendiger berichtet: „Vier Kameras fingen die Aussagen verschiedener Experten, Bürgermeister und Wissenschaftler aus dem Kleinwalsertal, aus St. Anton und dem Außerfern, dem Tiroler Lechtal ein. Zur Lawinensituation, Sperrmaßnahmen und Waldproblemen wurden Vizebürgermeister Wolfgang Hilbrand, Altbürgermeister Walter Fritz und Eva Neumaier befragt, die aus einem jener Häuser in der Moosstraße kommt, die am 12. März 1988 evakuiert wurden. Verkehrsdirektor Werner Fink äußerte sich vor der Kamera über den Rahmen dieser Veranstaltung, über die Schi-Ausstellung und die Walsertracht des Hochzeitspärchens“. Während das Kleinwalsertal mit der Lawinensituation im März 1988 glimpflich davon kam, so musste St. Anton am Arlberg Lawinentote beklagen, weswegen der Ort in der Sendung auch hart in der Kritik stand. Ein weiteres heißes Thema der Sendung war das „Waldsterben“.

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